El Dorado – Kapitel 24

 

 

El Dorado – de Goldjunge

Fils superverquere Lesereise mit Hindernissen

Kapitel 24

 

Aua.

Fils Kopf schmerzte. Alt und Kölsch soll man nicht durcheinander trinken. Aber gestern Nacht war die Symbolik wichtiger als die Gesundheit gewesen. Symbolik über Kolik, Alter. Ha. Bambino, Fil und eine ständig wachsende Zahl von Anhängern hatten Köln aus den Angeln gehoben und überall die Verbrüderung besiegelt. Es schien als hätten sich die Kölner eh schon lange danach gesehnt. Irgendwann hatte Bambino mit seinem Smartphone die Bürgermeister von Köln und Düsseldorf wachgeklingelt und zu einem Spontantreffen beim Hühner Hugo überredet. Anscheinend war das gut gelaufen, jetzt überlegten sie wohl, den Rhein zuzuschütten und aus beiden Städten eine einzige zu machen. Spucke2000-town war der erste – nicht wirklich ernstgemeinte Namensvorschlag gewesen, der sich allerdings tatsächlich durchzusetzen schien. Das hatte Bambino Fil per SMS mitgeteilt, denn gegen 3 Uhr hatten sich ihre Wege getrennt, als Fil mit Kirsten zurück ins Hotel gefahren war.

Kirsten war eine Frau, die Fil von Facebook kannte. Shit –girl nannte sie sich dort und postete sexy Fotos, aber auch – wie Fil fand – sehr philosophische Texte. Etwas nah am Nihilismus gebaut. Naja. Kunststück : ein Twen wie sie hatte natürlich ganz besonders karg am Werteverfall zu knabbern.

Nun sassen sie sich hier im Frühstücksraum des Schnoeselong Düsseldorf gegenüber. Kirsten trug wie immer ihre schwarze Augenklappe, Fil vermutete allerdings stark, dass das Auge darunter ganz normal sehen konnte. Ihre Hochsteckfrisur hatte einen derangierten „the next morning „ – Look, den sie schon gestern nacht gehabt hatte. Goldene Schlaghosen trug sei und oben – obwohl März und Zivilisation war – nur einen durchsichtigen fleischfarbenen Büstenhalter. Sie hatte verschwindend kleine Brüste; das war sicher sehr praktisch.

“Mann was für ne Nacht“, sagte Fil, „ Mein Schädel ist am birsten,Kirsten.“

„Nenn mich Shit –Girl.Oh Fil,es war so schön mit dir. Aber jetzt fährst du ja wieder weg und was soll ich dann nur machen?Ich liebe dich.“

„Du, ich komm bestimmt in der nächsten Zeit öfters vorbei, jetzt wo wir wieder Spucke2000 machen.Kanns noch gar nicht fassen. Bin gespannt, ob Bambino schon Lars kontaktiert hat – wenn der auch noch wieder einsteigt, das wär der Hammer.“

„Ach, ihr Jungs immer mit euren tollen Jungssachen.Ich würde auch so gerne in einer Band spielen.Darf ich nicht bei euch mitmachen? Aber ich kann gar nichts.Kein Instrument.Ich hab mal Blockflöte gelernt mit Zwei,aber nach drei Wochen hab ich wieder aufgehört.Und singen kann ich auch nicht, ich treffe keinen einzigen Ton.“

„Dann wird’s schwierig“, sagte Fil,“Ich könnte dir Gitarrenunterricht geben wenn du willst. Gitarre ist eigentlich leicht. Man muss drei Monate durchhalten wo´s Scheisse klingt und ab da machts dann schon Spass.“

„Ich würde gerne Cembalo spielen können. Oder Oboe.“

Kirsten steckte den kleinen Finger in die lippenstiftförmige Öffnung des Zuckerstreuers.

„Das find ich nicht gut,“ sagte Fil, „Kuck mal,da wolln die Leute doch ihren Zucker draus streuen.“

„Hasst du mich?“fragte Kirsten und nahm den Finger raus.

„Nein,überhaupt nicht. Wie kommst du denn bloss darauf?“

„Weil mich alle hassen“ sagte sie und steckte den Finger wieder rein, „ Ich habs mir mit allen verdorben, keiner will mehr was mit mir zu tun haben.“

Sie kippte sich einen Haufen Zucker in die Hand und begann daran zu lecken.

„Ich habe jetzt wirklich keinen einzigen Freund mehr,“sagte sie.

„Das ist die Tragik der schönen Frauen“, erklärte Fil, „Deine Freundinnen sind eifersüchtig und misgünstig – sie ertragen keine Schönere neben sich – und die Männer wollen nur Sex, sind aber verunsichert, dass du so ein Freigeist bist und mit so vielen ins Bett gehst. Bei nem Mann würden alle sagen starker Typ, James Bond,Rock´n´Roll, aber ´ne Frau die sowas macht gilt bei uns immer noch als Nutte. Es ist so kleinkariert, ich könnte kotzen.“

„Kann ich nicht deine Nutte sein, Fil?“ fragte Kirsten während sie ihre zuckrige Hand an der Tischdecke abwischte, „Ich weiss wirklich nicht, was ich sonst machen soll. An die Uni kann ich nicht mehr gehn, da hassen mich auch alle und ich hasse sie. Aber mit irgendwas muss ich doch Geld verdienen, mein Vater meinte letztens er will mir nichts mehr geben. Kannst du mich nicht einfach bezahlen für den Sex gestern nacht? Bitte. Das wäre so ultra.“

„Naja,streng genommen – erinnerst du dich, wir hatten gestern nacht eigentlich gar keinen Sex. Dir war so schlecht, du hast dich immer nur übergeben.“

„Kann ich dann nicht vielleicht dafür was kriegen?“

„Tja. Möglicherweise geht das sogar. Muss mal mit dem Verlag reden. Einige Spesen müssten die schon abdecken glaub ich. Blöd nur, dass ich die Lesereise jetzt ja abbrechen werde wegen Spucke 2000.“

Fil war gespannt, wie Lucy auf diese Neuigkeit reagieren würde. Gut, dass er sie diesmal nicht betrogen hatte.

„Was soll ich bloss machen?“ Kirsten schraubte den silbrigen Zuckerdosendeckel ab, steckte ihn sich wie einen Schnuller in den Mund und lutschte drauf herum, „Ich kann doch gar nichts.“ sagte sie ohne das Teil rauszunehmen,„ Aus mir wird nie was, das hat meine Mutter schon gesagt.“

„Schneewittchenkomplex“, sagte Fil, „Tragik der schönen Frauen wieder. Deine Mutter war die Nummer eins, dann kommst du, wirst zu diesem jungen blühenden Schneewittchen und das macht sie zur bösen Stiefmutter. Das ist alles nur Neid, Kirsten, Neid und Misgunst – die ehrlichsten Komplimente, die ein Mensch einem anderen machen kann.“

„Nenn mich nicht Kirsten, ich heisse Shit-girl.“

„Ja? Ehrlich gesagt, ich finde Shit-girl nicht den glücklichst gewähltsten Namen – kommt irgendwie so negativ rüber finde jetzt ich.“

„Nein, verstehst du nicht, Fil? Ich bin Shit-girl. Wie in „That girl is the shit“.“

„Ja, ich versteh schon, es überzeugt mich bloss einfach nicht so. Kuck, ich find das so super was du auf Facebook machst – nur eben der Name – – shit. Weiss nicht. Dieses Wort ist schon so belegt.“

„Meine Zunge ist auch belegt,schau.“sagte Kirsten und streckte ihre Zunge in deren Mitte ein Hello Kitty .Piercing prangte raus. Sie beugte sich vor und begann Fils Gesicht abzuschlecken. Ihr Atem roch nicht gut und Fil wurde nicht gerne geschleckt. Er war kein Eis. Aber er liess sie ein paar Minuten machen bevor er sie sanft bei den Schultern packte und auf ihren Stuhl zurückdrückte.

„Jetzt hasst du mich auch.“sagte sie.

„Überhaupt nicht. Ich muss nur …die Dame vom Verlag anrufen,die Dame, die das alles koordinert … und ihr erzählen dass ich aussteige.“

„Wenn ich doch auch irgendwo aussteigen könnte, aber ich bin halt nirgendwo drin.“

„Ich komm gleich wieder, Kirsten.“

„Shit –girl.“

„Shit-girl. Bin gleich wieder da. Nimm dir noch Zucker.“

Fil stand auf und ging in die Lobby um dort zu telefonieren. Auf dem Weg sah er Vendetta an einem kleinen Eckisch sitzen. Sie trank nur schwarzen Kaffee, ass nichts. Wie immer war sie schön wie eine unerwartete Gehaltserhöhung, aber ihre Augen wirkten leicht verquollen und ihre Haare waren nicht so gut gekämmt.

„Er ist es nicht wert, Mädchen“,sagte Fil und tätschelte ihre Schulter. Sie nickte und produzierte ein tapferes Lächeln.

Tragik der schönen Frauen dachte Fil.

 

 

Kapitel 25

 

 

„Soll das ein Scherz sein?“ fragte Lucy.

„Was? Nein, im Gegenteil. Ich verstehe, dass das jetzt ungelegen kommt, aber … tut mir leid, ich muss es tun, also das …das steht jetzt schon fest.“

Lucy legte ihr Handy auf den Nachttisch, nahm das schmale Latte- macchiato – Glas das dort stand und schleuderte es gegen die Wand. Dann nahm sie das Handy wieder auf.

„Lucy?Was war das denn gerade?“

„Alles in Ordnung. Baustelle. Fil, es ist schön, dass du dich mit deinem Jugendfreund ausgesöhnt hast, aber euer Spucki 2000 ist die Vergangenheit. Wir müssen an deine Zukunft denken,und die liegt in der Literatur. Ich hab selten einen Autoren erlebt, dessen Erstlingswerk so eine Tiefe aufweist. Du kannst schreiben. Es wäre eine Schande, dein Talent verkommen zu lassen.“

„Ich weiss nicht. Bloss weil man was gut kann muss man es doch nicht zwingend auch machen. Begabung darf kein Zwang werden. Und ich hab gemerkt, dass mir schreiben gar keinen Spass macht. Jedenfalls nicht so viel wie Musik. Kuck, in meinem Buch hab ich über Punk geschrieben – jetzt hab ich die Gelegenheit Punk zu SEIN:“

„Du bist 48.“

„Danke für´s erinnern. Ich find´s ehrlich gesagt total krass, dass du das nicht verstehst. Aber Pech. Ich brech die Tour ab, da kannst du sagen was du willst.“

„Lass uns nicht streiten, Baby. Kuck, ich mein das doch so: 48 ist alt für einen Punker, aber für nen Schriftsteller ist es jung.Egal welches biologische Alter du hast, du bist eh ein unheimlich junger Typ. Deshalb hab ich mich in dich verliebt, weil du diese grosse jugendliche Energie hast, diesen wahnsinnig frischen Drang. Du gehst mit weiten Augen und offenen Sinnen an die Dinge heran, du bist neugierig auf die Welt, du willst was entdecken.“

„Stimmt.“

„Dann sag mir: was gibt´s bei Punk noch zu entdecken? Aber in der literarischen Welt wartet ein ganzes Universum auf dich. ICH warte da auf dich.“

„Ich hab´s Bambino aber versprochen. Er verlässt sich auf mich.“

„Fil,das hab ich dir noch gar nicht gesagt, wollte dich eigentlich damit überraschen: du bist im neuen Playboy.“

„Was ?!“

„Dein Buch wird im neuen Playboy besprochen. Positiv. Auf ´ner halben Seite. Sie schreiben es ist ein Buch für Männer.“

„Wirklich?! Wahnsinn!Haha,im Playboy, ist ja der Hammer! Den muss ich mir gleich kaufen!“

„Das ist erst der Anfang. Wir sind noch an verschiedenen grossen Sachen dran. Frühstücksfernsehn, Talkshows – das Goethe – Institut ist interessiert, die wollen dich ins Ausland schicken – es wär so schade wenn das jetzt alles nicht passieren würde.“

„Ach Mann,aber was ist mit Bambino?“

„Pass auf, ich schlag dir was vor: überlegs dir einfach nochmal in Ruhe. Mach noch die nächsten zwei Termine: heute Heidelberg und morgen München und übermorgen in Darmstadt komm ich dazu. Dann reden wir weiter. Ich bin sicher dass wir da eine Lösung finden. Ich möchte auch nicht, dass du deinen Freund enttäuschst.“

„Dich will ich ja auch nicht enttäuschen, Kirsten. Und die Jungs vom Playboy erst recht nicht. Buch für Männer haben sie gesagt?“

„Nenn mich Lucy bitte, okay? Dieser Name bedeutet mir viel. Du wirst gar keinen enttäuschen, wir finden eine Lösung die alle zufriedenstellt, das versprech ich dir.Was hast du an?“

„Jeans und T-Shirt.“

„Du geile Sau. Du machst mich so heiss, Fil. Ich werd´s mir jetzt besorgen und dabei an dich denken. Und dann geh ich los und kauf uns ein paar schöne Dessous für Darmstadt.“

„Dessous für Darmstadt wäre ein guter Titel für´n Buch.“

„Da schreibt er schon wieder! Du bist unglaublich!Lass mir was übrig, Lover.Bis in zwei Tagen, ich zähl die Stunden,okay ?“

„Okay.“

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